Unbenannte Seite

FASSADE (Schaufenster)

Neubau Museum für Zeitgenössische Kunst, Hagen | Entwurf, 2001 – mit Caroline Raspé
<<>>
Gunda Foerster, FASSADE (Schaufenster), Neubau Museum für Zeitgenoessische Kunst, Hagen | Entwurf, 2001 – mit Caroline Raspé

Info

Städtebaulicher Realisierungswettbewerb
Ausgeschrieben war ein städtebaulicher Realisierungswettbewerb: Bereich Karl Ernst Osthaus-Museum mit Neubau
Emil Schumacher-Museum in Hagen. In einem Bereich des Neubaus soll permanent die Emil Schumacher-Samm-
lung gezeigt werden; in allen anderen Bereichen Wechselausstellungen: zeitgenössische Kunst.

Caroline Raspé, Architektin, BDA:
– Planung des Museumsneubaus
– Konzeption und Gestaltung der Freiflächen in Zusammenarbeit mit Regina Poly, Landschaftsarchitektin, BDA
– Städtebauliche Aufwertung der Randbereiche

Gunda Förster, Künstlerin:
– Planung der »Schau-Fenster«-Fassade


DAS »SCHAU-FENSTER«: BILD UND RAUM

Der Baukörper des Neubaus wird im wesentlichen als von Glas umhüllt begriffen. Gestalterisch werden je nach
Bedeutung und Funktion der Gebäudeseiten alle dem Material eigenen Qualitäten eingesetzt: totale Transparenz,
Milchigkeit, Intransparenz, Doppelsichtigkeit, Spiegelung, Reflexion, Farbigkeit, um unterschiedliche Tiefenwir-
kungen der Oberfläche zu erzeugen.
Die dem intimen Museumsplatz zugewandte Fassade öffnet sich mit einem »Schau-Fenster« zum öffentlichen
Raum.
Diese Fassade ist zweischichtig aufgebaut: Hinter der äußeren Klarglasfassade wird über die gesamte Breite und
Höhe im Abstand von 1,20m zur Glasfassade eine weitere Wand aus milchigem Plexiglas gespannt. Diese wird
durch dahinterliegende Leuchtröhren gleichmäßig diffus in einem kalten Weißton erhellt. Das Raster der Stahl-
konstruktion mit Maßreferenz zum gegenüberliegenden Altbau wird auf diese Wand »gespiegelt« und erscheint
als sich unscharf abhebendes Raster aus warm-weißem Licht.
Das grundlegende Gestaltungsprinzip ist die Projektion und Überlagerung vorhandener architektonischer Struk-
turen und Maßverhältnisse. Ziel ist das Einweben des Neubaus in die Maßstäblichkeit des vorhandenen architek-
tonischen Kontexts.


TAG-NACHT-WIRKUNG

Tagsüber bildet die weiße Wand den Bildgrund für die Spiegelung des Außenraumes (die dem Komplex zuge-
hörigen Jugendstilgebäude, Bäume etc.) in der Fassade.
Nachts soll die gleichmäßig weiß leuchtende Wand durch das dahinterliegende Lichtraster diffus strukturiert
werden. Das leuchtende und das reale Konstruktionsraster überlagern sich und ergeben ein sich in Abhängigkeit
von der Bewegung der Passanten permanent veränderndes Bild.
Darüberhinaus wäre die weiße »Tafel« Projektionsfläche für imaginäre Bilder, ideeller Spiegel der tagtäglichen
Bilderflut im Kopf.
Mit dem Einbruch der Dämmerung wird das Licht über einen Dämmerungsschalter eingeschaltet und proportional
zur zunehmenden Dunkelheit heller. Wenn sich das Leben auf der Straße in private Räume zurückzieht, verlischt
das Licht langsam wieder.


NACHT-WIRKUNG | PLATZGESTALTUNG

Dieses Prinzip wird strukturell auch auf die Gestaltung des Platzes zwischen Verwaltungsgebäude und Neubau
übertragen: Markante Schnittpunkte der architektonischen Struktur der gegenüberstehenden Gebäude werden
in Form von geometrischen Lichtzeichen in den Boden eingelassen. (Winkel, Linien, Kreuze: Breite = Breite der Stahlkonstruktion des Neubaus; Länge = 50cm = 1/3 der Höhe eines Rastersegments des Neubaus.)
Diese Bodenzeichen referieren zugleich auf Straßenmarkierungen und Segmente eines Grundrißplans. Der Ein-
und Ausschaltvorgang dieser Lichtzeichen im Boden soll parallel zur Steuerung der Lichtwand im Gebäude erfolgen.


DAS »SCHAU-FENSTER« ALS SCHNITTSTELLE ZWISCHEN MUSEALEM UND ÖFFENTLICHEM RAUM

Hintergrund der Idee ist die gesellschaftliche Reflexion über die Funktion des Museums im 21. Jahrhundert:
Das »Schau-Fenster« korrespondiert in seiner permanenten Variante mit der architektonischen Struktur des
Gebäudes und kann auch jeweils temporär für Aktionen im zeitgenössischen Kunstkontext genutzt werden, um
das Museum in den öffentlichen Raum zu erweitern. Mit dem »Schau-Fenster» wird Architektur zu einer Plattform,
die der Definition von zeitgenössischer Malerei im weiteren Sinne entspricht und damit der bis heute anhaltenden
Diskussion um die Fassung des Begriffs gerecht wird.
Das »Schau-Fenster« geht über die transportable und durch den Rahmen begrenzte zweidimensionale Fläche
des Gemäldes hinaus und reflektiert auf die generelle Beziehung von »Malerei« und »Bild«, eröffnet Raum für
einen flexiblen Umgang mit der Malerei als Medium unserer Zeit. Vor diesem gedanklichen Hintergrund bietet das
»Schau-Fenster« die Möglichkeit, den Malereibegriff in Korrespondenz zum öffentlichen Raum zu reflektieren und
damit das gesamte Medienspektrum der zeitgenössischen Kunst auszuloten.


DAS »SCHAU-FENSTER« ALS PLATTFORM

Das »Schau-Fenster« erzeugt eine Schnittstelle zwischen Museum und öffentlichem Raum:
Der Museumsneubau ist einerseits eine abgeschlossene White-Cube-Situation für die konzentrierte Rezeption auto-
nomer künstlerischer Arbeiten bzw. funktioniert als Speicher und Archiv für Sammlungen. Zugleich verkörpert er
die Qualität temporärer Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, indem er das Museum nach außen in den Stadtraum
öffnet, eine Verbindung zum alltäglichen Leben, zum sozio-kulturellen Kontext herstellt. Auf diese Weise reflektiert
das Gebäude den Diskurs über die Rolle und Funktion von Museen im ausgehenden 20. Jahrhundert und begin-
nenden 21. Jahrhundert. Es werden prozessuale Bedingungen geschaffen. Sowohl das Museum an sich als auch
temporäre Aktionen im Zusammenhang mit Ausstellungen erhalten ein Informationsmedium, um Kunstraum und
Öffentlichkeit zu verbinden. So bietet sich etwa die Möglichkeit, das »Schau-Fenster« als Screen zu nutzen, wo
auch theoretische Kunstdiskurse übertragen werden können.

Das »Schau-Fenster« erfüllt die genannten Aufgaben, indem es architektonisch äußerst verschiedene Raum-
elemente integriert (Durchgangsbereich oder unbegehbar): Bildfläche und Raum, Vitrine und Gang können für
unterschiedlichste Aktivitäten im Kunstkontext nutzbar gemacht werden:

BILDFLÄCHE:

– Screen für die Projektion von Video- und Diaarbeiten
– Fläche  für Wandmalerei
– Leinwand für die simultane Übertragung von Veranstaltungen aus dem Vortragssaal des Museums nach draußen

VITRINE:

– Ausstellungsort für Skulpturen und Objekte
– großer Leuchtkasten für die Hinterleuchtung von Großdias, die auf den Fenstern angebracht werden

RAUM:

– Ort für Performances oder Arbeiten, deren wesentlicher Bestandteil die zeitliche Komponente ist

GANG:

– Ort für künstlerische Arbeiten, die eigens für diese spezielle Situation entwickelt werden.

Das leuchtende Raster und die leuchtende Wand können getrennt voneinander geschaltet werden.
Auch können unabhängig von der aus sich selbst heraus leuchtenden Plexiglaswand in die Architektur integrierte
Scheinwerfer für die direkte Beleuchtung der Situation bei Dunkelheit genutzt werden.
Da im Sockelbereich dieses Gebäudeteils das Café untergebracht ist, bietet sich in den wärmeren Monaten eine
ideale Situation für die intensive und konzentrierte Rezeption der wechselnden, temporären, mannigfaltigen
Bespielung des »Schau-Fensters«.

<<>>