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Ulmann-Matthias Hakert

Raum, Licht, Zeit

Die Arbeiten Gunda Försters definieren Sichtbarkeit als elementare Gestaltung von Raum, Licht und Zeit:
Sehen ist Bewegung, die der Bewegung des Gesehenen begegnet.

Auf nächtlichen Straßen geht man vorbei an dunklen und hell erleuchteten Fenstern, flackernd von Fernsehbildschirmen beleuchteten Räumen, unter bewegten oder starren Lichtreklamen, zwischen den Scheinwerfern fahrender Autos. So wie der Blick abgezogen ist von Sternen, deren Licht ihr Verlöschen überdauert, lösen Gunda Försters Arbeiten mit Licht das plastische Phänomen von Geschichten ab. Die Bilder urbaner Beschaulichkeit, hinter jedem Fenster ein Leben, angezogen und zerstreut von Werbung, unterwegs von einem Ort zum anderen, werden weggewischt mit der Geste minimalistischer Reduktion. Die so entstandene pure Form reflektiert sich Im Rückbezug auf eine entsprechende bildnerische Tradition als Kunstraum und entwirft diesen Raum als einen für Kunst ausgesparten – Schnittfläche der von Produzentin und Betrachtern mitgebrachten Erfahrungen.

Daß Försters jüngere Arbeiten mit Kleinbilddias als Wendung zu narrativen oder repräsentativen Bildformen verstanden werden können, ist so selbstverständlich wie die Hinnahme der übers Fernsehen ausgestrahlten Bilder als Wirklichkeit. Die in > VARIATIONEN DES ZUFALLS eingestreuten Begriffe reizen die Vergeblichkeit sinnstiftender Betrachtung aus.

Die Präsentation (Wechsel der Diapositive im Takt von ein oder zwei Sekunden und sich überlagernde Projektionen) sowie die Qualität der Bilder und Begriffe entgleiten der vermeintlichen Zuverlässigkeit der Paarung von Fotografie und Text. Die Worte gleichen Slogans, die das Beworbene im Überschuß möglicher Konnotationen und Assoziationen verschwinden lassen. Die Bildfetzen binden die Begriffe (sprachliche Fundstücke) nicht zurück an Bedeutungen. Eher verstärken sie ihre Abstoßung als Schriftbilder nur potentiell bedeutsamer Sprachlaute, die wiederum den Eindruck unterstützen, die mehr oder weniger verschwommene Gegenständlichkeit der Lichtbilder (überwiegend vom Fernsehbildschirm abfotografierte Personen) verweise nur auf die Tautologie von Sichtbarem und Licht.

Die ständig sich verlagernden Verweise und Bezüge zwischen Wort und Wort, Wort und Bild, Bild und Bild lassen jede zwanghafte Sinnproduktion ins Leere laufen. Es bleibt dem Betrachter einzig die Einsicht, daß sein Verstehen an einem nicht nachvollziehbaren kompositorischen Prinzip scheitert. Tatsächlich ließe sich der Eindruck bloß zufälliger und instabiler Kombinationen in komplexer mathematischer Form als Folge von Variationen beschreiben und damit als Sichtbarmachung einer musikalischen Idee.

Katalogtext zur Ausstellung
Made in Berlin
Rethymnon Centre for Contemporary Art, Kreta (GL), 1998
House of Cyprus, Athen (GL), 1999
> VARIATIONEN DES ZUFALLS

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