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Michael Stoeber

Malen mit Licht

»Wo immer ich nicht bin, ist der Ort, wo ich selbst bin«, lautet der auf den ersten Blick geheimnisvolle Titel, unter dem Gunda Förster ihre sehenswerten Lichtobjekte und  -installationen im hannoverschen Kunstverein zeigt. (...) Der Titel ist in gewisser Weise eine Arbeit für sich und ein, wie Gunda Förster erläutert, solidarischer Akt mit den Opfern der Terroranschläge. (... vom 11.09.2001) Eine etwas verklausulierte Art, deutlich zu machen, dass die Anschläge sie etwas angehen.
Auch gute Kunst geht den Betrachter an. Sie lässt ihn klarer sehen und intensiver fühlen. Das ist der Fall bei den Lichtarbeiten von Gunda Förster. Mit minimalem Aufwand erzielt sie – scheinbar mühelos – große Wirkung. Mit Licht inszeniert sie Bilder, die den Blick schärfen für eine Poesie und eine Dramatik, die im Alltag selbst angelegt sind. Wenn eine einen > Spaltbreit offen stehende Tür einen starken Lichtstrahl in das angrenzende, dunkle Zimmer entlässt, weckt das Erinnerungen an Kindheitsängste und Kriminaldramen. Der starre Lichtstrahl wirkt wie eine Bodenplastik, der im nächsten Raum eine > bewegte Bilderfolge an der Decke antwortet.
Gunda Förster, 1967 in Berlin geboren, bespielt alle Räume in einer formal-ästhetisch stringent aufeinander bezogenen Sequenz. Ursprünglich als Malerin ausgebildet, schafft sie heute puristische Bilder aus Licht und Schatten. Den langen Raum, im Kunstverein, der mittelmäßige Künstler unbarmherzig zu Fall bringt, bezwingt sie mit einer minimalistischen Installation. Ein Motor versetzt eine stark strahlende Glühbirne in eine > Pendel-
bewegung. Das hin- und herwischende Licht verwandelt den Raum in ein dramatische Schattentheater mit den Besuchen als Protagonisten. Durch die Türdurchbrüche malt die bewegliche Leuchte monochrome Bilder an die Wände der angrenzende Räume. Wie ein Herzmuskel ziehen sie sich zusammen und weiten sich wieder im Rhythmus des Lichtpendels.
Diese Arbeit Gunda Försters ist die eindringlichste, die mit den vielfältigsten Anmutungen. Die verrinnende Zeit spielt dabei eine nicht weniger große Rolle als das, was Georg Büchner die »grässliche Fatalität der Geschichte« genannt hat. Das Thema der Wahrheit und Wirklichkeit aller Erschienungen schwebt mit dem sich bewegenden Licht ebenso diskret im Raum wie die Mut machende Möglichkeit einer sekundenschnellen Veränderbarkeit der Dinge. Fragt man sich bei manchen Ausstellungen, mit welchem Recht sie wochen-, manchmal monatelang öffentliche Räume besetzen, hätte man diese gern etwas länger zu Gast in der Stadt.

In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, 27.10.2001

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