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Oliver Kielmayer Bedeutungsvolles Nichts Innerhalb des zeitgenössischen Kunstdiskurses nimmt das Werk von Gunda Förster eine Sonderstellung ein. Ungeachtet der zahlreichen Arbeiten, in denen Realität und Aktualität dominieren, beschäftigt sie sich seit Jahren mit Bedingungen und Mechanismen der Wahrnehmung. [1] Obwohl man behaupten darf, dass das tagespolitische Geschehen nach den 1990er Jahren wieder spannender geworden ist, so kann man sich gleichzeitig fragen, ob die Verwendung entsprechender Referenzen in der bildenden Kunst nicht oft am Ziel vorbei schiesst oder schlicht und einfach an der Oberfläche bleibt. Substanzielle Erfahrungen und Gefühle werden gleich wie in der Tagespresse häufig nur exemplarisch vorgeführt, geschweige denn erfahrbar gemacht, und der Versuch, allgemein verbindliche Darstellungsformen dafür zu finden, bleibt leider eine Seltenheit. Gunda Förster interessiert sich für den Moment, an dem sich die Welt der Beobachtung entzieht; sei dies in ihren bearbeiteten Fotografien, den Videos oder in den Installationen. Damit einher geht die völlige Zurückweisung der Idee, ein Kunstwerk habe zwischen ihrer eigenen Intention als Autorin und dem Bewusstsein des Betrachters zu vermitteln. In der Entscheidung, dem Betrachter gar nichts Konkretes erzählen zu wollen, sondern lediglich Anlässe zu generieren, damit dieser sich selbst etwas erzähle, manifestiert sich eine grosse Nähe zum Selbstverständnis der Romantik. Försters Ablehnung von Symbolismus, Lyrismus oder Naturanlehnung lässt jedoch auch an andere, historisch jüngere Bewegungen denken; einerseits an die konkrete, konstruktive oder absolute Kunst anfangs des 20. Jahrhunderts, andererseits an die Minimal Art der 1960er Jahre. Bereits seit 1997 experimentiert Förster mit Unschärfe. Die Diainstallation > CHANGE (1997) besteht aus farbigen, nahtlos auf die vier Wände eines Raumes projizierten Aufnahmen, die aus einem fahrenden Auto gemacht wurden. Und seit 1998 entstehen Fotoserien, die auf vom Fernsehgerät abfotografierten Bildern beruhen. Gerade letztere Arbeiten machen deutlich, worauf sich Försters Interesse konzentriert: das lediglich Angedeutete und Schemen- Zu Recht wird in Zusammenhang mit Försters Arbeit immer wieder auf Werner Heisenberg und seine Unschärfe- Försters Arbeiten beschäftigen sich nicht nur mit inhaltlichen und perzeptiven Leerstellen, sondern konstruieren sie bewusst. Ihre Arbeiten werfen derart den Betrachter auf sich selbst zurück und ermöglichen ihm, die Unmöglichkeit von Erkenntnis als Möglichkeit individueller Weltschöpfung zu begreifen. INTERFERENCE (2007), so der Titel der für die Lichttage in Winterthur entworfenen Arbeit, widerspiegelt den künstlerischen Ansatz von Gunda Förster sehr genau. Einzig bestehend aus den immateriellen Phänomenen Licht und Ton, wird der Realitätsbezug hier nahezu vollständig eliminiert. Das für die Installation benötigte Material, sogenannte Audience Blinder und Lautsprecher- Gleich wie in > WHITE NOISE so wird auch in »Interference« der Betrachter lediglich mit elementarsten Wahrnehmungen Licht, Ton und Wärme konfrontiert, ohne jede Gegenständlichkeit oder Narration. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Arbeiten betrifft jedoch die Abfolge von Licht und Ton, die Förster dem Umstand entsprechend, dass es sich nicht wie bei > WHITE NOISE um einen abgeschlossenen Raum, sondern eine Durchgangssituation handelt, neu komponiert hat. > WHITE NOISE ist als Raum konzipiert, in dem sich der Betrachter mehr oder weniger statisch verhält; INTERFERENCE ist dagegen im Treppenhaus der Kunsthalle installiert und derart für einen Betrachter gemacht, der sich dynamisch und zielgerichtet verhält. Während Da das Treppenhaus zum Hinterhof mit grossen Fenstern abschliesst, hat INTERFERENCE gleichzeitig Konsequenzen für den Aussenraum. Veranstaltungszeitraum der Lichttage und Öffnungszeiten der Kunsthalle ergeben, dass die Arbeit auch nach dem Eindunkeln noch aktiv ist; vom Kirchplatz, der an den Hinterhof anschliesst, her gesehen ist dies als signalartiges Aufscheinen der Fensterreihe sichtbar. Dieser Effekt erinnert an eine andere Arbeit von Förster, > DIS-APPEARANCE (2001). Hinter einem mit Fenster versehenen Eingang der Berliner Charité installierte sie Scheinwerfer, die nach Einbruch der Dunkelheit langsam auf- und abblendeten. Der Effekt von aussen war eine gespenstisch aufleuchtende Türe, deren anfängliches Glühen sich mehr und mehr zu einem bedrohlichen Gleissen steigerte, ehe sie schliesslich wieder in Dunkelheit versank. Diese einfache Intervention ist typisch für Gunda Förster; sie schafft einen Moment absoluter Bedeutsamkeit, dem man sich visuell nicht zu entziehen vermag, und löst ihn sogleich wieder in Unbegreifbarkeit auf. Das Fehlen respektive die grösstmögliche Verknappung von gegenständlichen und inhaltlichen Referenzen schlägt in Försters Arbeiten in eine potenzierte Produktion innerer Bilder um. Gerade Arbeiten wie > WHITE NOISE und INTERFERENCE tendieren durch ihren aggressiven Charakter dazu, Gefühle von Angst und Bedrohung auszulösen. Die dazugehörigen inneren Bilder und Vorstellungen haben den Vorteil, dass mit ihnen ungleich höhere Emotionen verbunden sind als mit den meisten Abbildern von Realität. Formale Strenge und radikale Ungegenständlichkeit in Arbeiten wie INTERFERENCE sind für Gunda Förster denn auch nicht im Sinne eines Minimalismus, der auf nichts verweisen will, von Bedeutung, sondern als Möglichkeiten, den Betrachter sich selber in einer Intensität erfahren zu lassen, die mit realen Bildern kaum je möglich wäre. [1] »Es geht mir nicht um die Abbildung und Darstellung von Sichtbarem, sondern um das, was Sehen voraus setzt.« Gunda Förster in: Kunstbulletin 7/2004, S. 27. Katalogtext zur Ausstellung |
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